Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium (I, V, VI)

 

Bachs Weihnachtsoratorium besteht aus sechs Kantaten oder Teilen, die für den ersten (Teil I), zweiten (Teil II) und den damals noch existierenden dritten Weihnachtsfeiertag (Teil III), den Neujahrstag (Teil IV), den Sonntag nach Neujahr (Teil V) und den 6. Januar, das Epiphaniasfest, (Teil VI) komponiert wurden.

 

Der Originaltitel lautet:

„ORATORIUM

Welches

Die heilige Weynacht

über

In beyden

Haupt- Kirchen

zu Leipzig

musiziert wurde

Anno 1734“    C. F. Peters

 

Die Uraufführung fand um die Weihnachts- und Neujahrstage und den 6. Januar 1734/35 statt.

Dies ist eine Besonderheit für unsere Aufführung, denn wir erleben auf den Tag genau 290 Jahre nach der Uraufführung, hier die Kantaten I, V und VI dieses faszinierenden Werkes.

Bach hat die sechs Kantaten zu einer Einheit zusammengeführt. Dies zeigen unter anderem die Einbindung der Choräle, die aufeinander bezogenen Tonarten, die er verwendet und die Dramatik der fortlaufenden Texte.

Am Ende jeder Kantate, bis auf Teil III, wo der Eingangschor wiederhol wird, steht ein Choral, der manchmal im 4-stimmigen Satz oder mit kunstvollen Vor- und Zwischenspielen durchsetzt komponiert ist. Hier wird durch Instrumentierung und Ausdruck das Typische der jeweiligen Kantate wieder aufgenommen und betont. Diese Regelmäßigkeit ist kein Zufall, sondern weist eine Klammer auf, die Teile I-VI verbindet.

Der erste Choral Nr.5 „Wie soll ich dich empfangen“ im Teil I und der Schlusschoral Nr.64 „Nun seid ihr wohlgerochen“ im Teil VI weisen auf die Passion durch die verbindende Melodie von „O Haupt voll Blut und Wunden“ hin. Bach stellt hier eine Verbindung von Geburt und Tod her. Die Melodie wird jedoch in völlig unterschiedlicher Weise verarbeitet. Dadurch entsteht eine jeweils andere Wirkung und Bedeutung. Der erste Choral Nr.5 im Weihnachtsoratorium steht in der Tonart a-Moll, wie der Choral „Wenn ich einmal soll scheiden“ aus der Matthäus Passion, den Bach direkt nach den Tod Jesu gesetzt hat. Der Schlusschoral des gesamten Weihnachtsoratoriums hingegen mit der gleichen Melodie steht in der strahlenden, lichten Tonart D-Dur und ist mit Trompeten und Pauken reich instrumentiert und mit Orchestervor- und zwischenspielen nach jeder Choralzeile des Chores durchsetzt. Die Verbindung von Geburt und Tod wird hier weitergeführt in die Auferstehung.

 

Die Teile I, III, V und VI des Weihnachtsoratoriums sind der Tonart D-Dur (strahlend, mächtig) zugeordnet. Diese Tonart in Verbindung mit Pauken und Trompeten verdeutlicht das Erscheinen des Messias. (z.B. Bach, H-Moll Messe: Sanctus, Osanna, Dona nobis pacem;

Händel, Messisas: „Halleluja“)

In der Kantate II dominiert die wesentlich mildere Tonart G-Dur. Die “Pastorale“, die Verkündigung des Engels, die Anbetung der Hirten, die „Schlafe Arie“, der Engelschor und der Schlusschoral stehen in der unschuldigen, kindlichen Tonart G-Dur.

Teil IV, in dem Bach Hörner verwendet, verlässt die Kreuztonarten. F-Dur, C-Dur, d-Moll beherrschen diesen Teil, der ein Innehalten, eine Betrachtung darstellt.

Sehr spannend wird es nun in den Teilen V und VI: Herodes kommt ins Spiel und versucht durch Intrigen den „neugeborenen König“ zu vernichten. Die Weisen aus dem Morgenland sollen das Kind ausfindig machen und Herodes berichten, wo es sich befindet, so dass auch er es anbeten kann.

Zynisch und heuchlerisch singt Herodes im Rezitativ „Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein, und wenn ihrs findet, sagt mirs wieder, daß ich auch komme und es anbete“

Zwei große Eingangschöre „Ehre sei dir Gott gesungen“ und „Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“, aufgewühlte Arien, vorantreibende Rezitative, aber auch innerliche Ruhe und Betrachtung stehen für diese beiden Teile, die wieder im D-Dur und A-Dur Bereich komponiert sind.

Jedoch greift Bach im Teil VI auf die Hirtenszene im Teil II zurück mit dem innigen Choral

„Ich steh an deiner Krippen hier“, der in der Tonart G-Dur gesetzt ist.

Das Zurückbesinnen auf die milde und weichere Tonart G-Dur der Hirten- und Engelsszene verdeutlicht die Zusammengehörigkeit des gesamten Werkes und verleiht an dieser Stelle dem Choraltext „…ich schenke dir, was DU mir hast gegeben. Nimm hin!   
es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut nimm alles hin, und laß dirs wohlgefallen!“- 
eine starke Wirkung.

Am Ende des Weihnachtsoratoriums steht die Frage: „Was will der Hölle Schrecken nun, was will uns Welt undSünde tun, da wir in Jesu Händen ruhn?“ Diese Frage findet ihre letzte Antwort in dem Zuversicht spendenden Schlusschoral, der mit „Bei Gott hat seine Stelle, das menschlicheGeschlecht“ endet.

 

Dorothea Völker